Die Unterwerfung der Insel durch die Dänen 1168
Wir verließen die Geschichte Rügens an dem Zeitpunkt, wo
die politische Macht der Insel in ihrer höchsten Blüte stand.
Den Ruf der Unbesiegbarkeit verdankte das kleine Volk der Ranen zwar einerseits
der eigenen Keckheit und Seetüchtigkeit, anderseits aber trug zu dieser
Unwiderstehlichkeit der rügenschen Waffen indirekt die Ohnmacht der
Nachbarländer bei, besonders Dänemarks, das durch Bürgerkriege
im innern geschwächt und gespalten, nach Außen nicht offensiv
vorgehen konnte. Sobald hier ein starker Arm die Zügel der Regierung
ergriff, mußte man sich auf einen Umschwung der politischen Machtverhältnisse
Rügens gefaßt machen. Diese neue Aera brach mit König Waldemar
I. an.
Er besiegte seinen Gegenkönig Swen am 25. Oktober 1157 bei Grateheide
in Jütland. Swen fiel auf der Flucht, und Waldemar konnte jetzt an
die Ordnung der politischen Verhältnisse Dänemarks gehen. Was
seinem Reiche Not tat, erkannte er mit klarem Bild: Ruhe vor den Einfällen
der slavischen Völker, vor allem der Rüganer. Und entschlossen
ging er an die Lösung dieser ersten Aufgabe.
Im Frühling des Jahres 1158 versammelte er eine Flotte bei der
Insel Masnet, zwischen Falter und Moen, um gegen Rügen vorzugehen.
Aber nun zeigte sichs, daß bei den einst so kühnen Dänen
der Mut gebrochen war infolge der fortwährenden verheerenden Einfälle
der Ranen. Die Großen des Reiches machten einstimmig im Kriegsrate
es dem König klar, daß es geradezu Verwegenheit sei, gegen Rügen
den Kampf aufnehmen zu wollen, das führe zum vollständigen Untergange
des Reiches. "Nicht darfst Du den tapferen Adel Dänemarks dem offenbaren
Untergange aufsetzen", schlossen diese Wackern. Was sollte der junge Waldemar,
vorerst machen, sein Thron stand noch nicht allzu fest, er mußte
sich fügen, denn alle waren sie so kleinmütig.
Nur einer in Dänemark dachte anders, das war der Bischof Absalon
von Roesfilde. Er war mit Waldemar aufgezogen, aus den Jugendgespielen
waren Freunde geworden. In Absalon lebte der alte Normannenmut, nie hat
er Furcht gekannt. NIcht hielt ihn sein geistlicher Beruf ab, das Schwert
zu führen. Die stürmischen Zeiten brachten es mit sich, daß
jeder seine ganze Kraft einsetzen mußte. Und in Absalon glühte
eine feurige Vaterlandsliebe. Nicht ließ des Vaterlands Unglück
ihn verzagen, wie jene Edlen, gerade die Not gab seinem echten Patriotismus
eine Spannkraft und Zähigkeit, die den Dänen jetzt fehlte. Er
hat es verstanden, König und Volk ein starkes Selbstbewußtsein
wieder einzuimpfen, er hat durch sein Beispiel und sein Vertrauen auf des
Volkes schlummernde Kraft diese geweckt und sein Vaterland gerettet, kurz,
er war der rechte Mann zu rechter Zeit. Keinen besseren Berater und tatkräftigeren
Helfer konnte Waldemar finden.
Und wie für Dänemark, so ist dieser Absalon für unsere
Insel Rügen von eingreifender Bedeutung geworden. Kein Name ist mit
Rügens Geschichte so verwebt, wie seiner, kein Mann hat Rügens
Verhältnisse so in jeder Weise umgestaltet, wie er.
Absalon war nicht beim Kriegsrat zugegen gewesen. Jetzt als er die
Flotte sich auflösen sah, ruderte er zum König hin und fregte
verwundert nach dem Grunde. "Um nicht so viele tapfere Edle der Gefahr
auszusetzen", erwiderte Waldemar. "Nun", sagte Absalon bissig und entrüstet,
"So unternimm den Zug mit Feigen und Unedlen, siegst Du, so hast Du Vorteil;
verlierst Du, keinen Nachteil, denn was kann an dem Verluste von feigen
Schuften gelegen sein."
Aber auch Absalon mußte sich fügen. Noch beherrschte die
Furcht vor der Rüganer Macht allzu sehr alle Gemüter. Erst im
folgendem Jahre nahm der König den Kriegszug gegen Rügen wieder
auf.
Zweihundert und sechzig Schiffe gingen unter Segel. Absalon war an
der Spitze der Flotte. Man wollte Arkona überfallen, das man in Friedenszeiten
nur schwach besetzt wußte. Schon hatte Absalon, der Flotte weit voraus,
das hohe Kreideufer Arkonas in Sicht, da gewahrte er, rückwärts
blickend, wie das Königsschiff und die gesamte Flotte nach Möen
zurücksteuerte. Zornentbrannt mußte auch er kehrt machen, dem
König aber sagte er gründlich seine Meinung, "Meinst Du auf diese
Weise Dein junges Königtum beginnen zu dürfen? Was hörst
Du auf solche, denen Deine Ehre gleichgültig ist? Kein Sturm des Meeres
zwingt uns zurück, keine Not; so wird man dich der Feigheit zeihen."
Bitter kränkte den König dieser Vorwurf der Feigheit von Seiten
des Jugenfreundes, der nur zu oft Proben seines Mutes gesehen hatte. Und
doch! Mußte nicht Waldemars anscheinende dieser Meinung beim Volke
Vorschub leisten? Er sah die Richtigkeit des Vorwurfs ein und verzieh dem
heiligen Zorn des Freundes, der ja nur des Königs und Vaterlandes
Ehre vertrat. Jetzt war Waldemar entschlossen. Die Fahrt beginnt von neuem.
Absalon voran. Sturm erhebt sich. Des Königs Schiff wird leck geschlagen.
Er springt in ein anderes. Erschöpft vom Rudern, verschlagen vom Ziel,
legt man endlich gegen Abend an der Westseite von Hiddensoe bei. Aber von
der großen Flotte sind nur noch 60 Schiffe beim König, die andern
haben den Sturm als willkommenen Vorwand zur Rückkehr benutzt. Auch
unter den 60 Kapitänen waren noch manche, die nun, wo die Sache ernst
wird, sich schleunigst drücken. In solcher Achtung stand damals noch
die rügensche Macht.
Mit solcher Flotte wagt denn auch Waldemar selbst keinen Angriff auf
Rügen. Man macht eine Razzia in das Barther gebiet. Beute beladen
kommen die Schiffe aus dem schmalen Gewässer zwischen dem Zingst und
Pommern hervor, da sieht man plötzlich die gefürchteten rügenschen
Piraten zum Angriff heranfliegen. Und jetzt erfolgt bei den Dänen
etwas, was Saxo, wie er selbst sagt, sich schämt berichten zu müssen.
Ein allgemeines: Rette sich, wer kann. Hätte nicht Absalon das Königsschiff
mit einigen seiner Fahrzeuge geschützt, Waldemar wäre gefangen
genommen, denn kein Signal, kein Zuruf konnte die von wahnsinniger Angst
kopflos gemachten Dänen zum Schutze ihres Königs zurückhalten.
Die Rüganer gehen zum Angriff vor, sie schlagen mit den Schwertern
auf die Schilde, tauchen diese, die von der Sonne ausgetrocknet sind, ins
Wasser, um sie zum Gebrauch fertig zu machen, aber die Dänen sind
ihnen zu flink, nur ihr Hohngeschrei erreicht sie noch.
Trotzdem wagte Waldemar noch einmal im Herbste desselben Jahres 1159
eine Unternehmung gegen Rügen. Sicher war es Absalon, der ihn dazu
veranlaßte und ihn überzeugte, daß, wolle er endlich einmal
Ruhe vor den Rüganern haben, er die Dänen durch wiederholte Angriffe
an den Kampf mit dieser gefürchteten Macht gewöhnen müsse.
Diesmal landete man auf Wittow, raubte die Dörfer aus und kehrte beutebeladen
zu den Schiffen zurück. Da fiel ein dichter Nebel und verbarg den
Dänen das herannahen einer rügenschen Streitmacht. Am Strande,
vielleicht in der Gegend der heutigen Wittower Fähre, traf man unvermutet
aufeinander, als plötzlich der Nebel sich zerteilte. Jetzt galt´s.
Waldemar den seinen voran, sprengt gegen den Feind; da stürzt er mit
dem Pferde, Absalon fliegt ihm zu Hilfe, die Dänen glauben ihr König
sei tödlich getroffen, der Mut der Verzweiflung gibt ihnen Kraft,
sie schlagen die Rüganer zurück und treiben sie zum Teil in die
Meerenge zwischen Wittow und Muttland, wo viele ertrinken, einige durch
Schwimmen sich zu retten vermögen. Siegreich kehrt man nach Dänemark
zurück.
Auf Rügen aber hatte man an diesem ersten Gefechte erkannt, daß
in Dänemark jetzt ein neuer Kurs begonnen. Schlimmerem vorzubeugen,
schicken die Rüganer im folgendem Jahre 1160 einen Unterhändler,
Dombor, hinüber nach Dänemark. Er trifft König und Kanzler
inmitten einer Flotte. Rasch hat der schlaue Slave erkannt, daß hier
wieder Uneinigkeit und Zaghaftigkeit herrscht, solche Flotte fürchtet
der Rüganer nicht. Vor Absalon geführt, bringt er Friedensvorschläge
vor unter beiderseits gleichen Bedingungen. Absalon fordert zunächst
ein Unterpfand für die Aufrichtigkeit des Anerbietens. Zu einem wohlfeilem
ist Domber bereit, er will einen Stein ins Wasser werfen. Diese symbolische
Handlung nahmen die Rüganer bei Schließungen von Verträgen
vor, sie bedeutet: so wie der Stein im Wasser, solle der untergehen, der
den Vertrag bricht. Das hält Absalon für heidnischen Tand, er
verlangt Geißeln. Die dürften die Rüganer verlangen, nicht
die Dänen, meint Dombor keck, indem er auf die bisherige Machstellung
Rügens hinweist. Absalon ist empört ob solcher Sprache, Dombor
belächelt des Dänen Anmaßung, die ihm unbegreiflich erscheint.
Natürlich zerschlagen sich die Verhandlungen.
Waldemar sah indes ein, daß die Rüganer keineswegs ernstlich
eingeschüchtert waren. Zudem hatten sie Rückhalt an den Obotriten
im heutigen Mecklenburg, die gemeinschaftlich mit ihnen dem edlen Piratenhandwerk
oblagen. Wollte er also gegen Rügen sich sichern, so mußte er
erst die Stammesgenossen zur Ruhe verweisen. Dazu war seine Macht allein
nicht ausreichend. Deswegen bot er dem mächtigen Sachsenherzog
Heinrich dem Löwen ein Bündnis an zu gemeinsamer Unternehmung
gegen die Slaven. Der war´s wohl zufrieden, denn ihm fehlte die Flotte,
ohne die er nichts Dauerndes ausrichten konnte hier im Norden. So begann
der erste Koalitionsfeldzug der beiden Herren gegen die Slaven im Herbst
1160. In liebenswürdigster Weise benutzt der Löwe die dänische
Macht zur Unterwerfung Mecklenburgs. Da erscheint die rügensche Flotte
den Stammesgenossen zur Hilfe. Heinrich erfährt es, als man eben Rostock
eingenommen hat. Aufs zuvorkommendste teilt man es den Dänen mit und
ersucht ihn, an seine Sicherheit zu denken, das hieß mit anderen
Worten: Ich habe nun meinen Teil, nun sieh zu, wie du mit den Rüganern
fertig wirst.
Waldemar ließ sich düpieren.
Aber die Rüganer waren durch das Schicksal der Obotriten gewitzig,
auch ahnten sie diese Noblesse Heinrichs nicht, sondern fürchteten
gemeinschaftliches Vorgehen der beiden Herren auch gegen Rügen. Daher
denken sie mehr an eine diplomatische als strategische Lösung der
Feindseligkeiten. Nach kurzem Geplänkel ziehen sie sich zurück
in ihre heimatlichen Gewässer. Bei dem heutigen Schaprode, das damals
Walung hieß, erwarten sie die Dänen. Wieder erscheint Dombor
auf der Bildfläche. Er zündet am Ufer ein Feuer an, das Zeichen,
daß man unterhandeln will. Absalon stellt sich kurzsichtig, er kommt
nicht. So kommt denn Dombor zu ihm. Auch schwerhörig scheint Absalon
jetzt zu sein. Immer liebenswürdigerjedoch scharwenzelt der geschmeidige
Slave um den bockbeinigen Dänen herum, in allen Tonarten flötet
er ihm ein Lied vor von den guten Folgen einer gut angewendeten Milde.
Lange läßt Absalon ihn zappeln. Als er sich endlich genug geweidet
an seiner Revanche für den neulichen Hochmut des Ranen, schlägt
er ein. Die Rüganer geben Geißeln und verpflichten sich den
Dänen zur Heeresfolge sowie natürlich zur Einstellung der Piratenzüge
gegen Dänemark. Von Annahme des Christentums ist keine Rede. Das war
der Freide von Schaprode 1160. Er ist für die Rüganer noch günstig
zu nennen. Denn er läßt ihnen ihre nationale Eigentümlichkeit,
sowie im ganzen politische Selbständigkeit.
Was das merkwürdigste an ihm ist, er wurde sogar von den Rüganern
vier Jahre lang eingehalten. Als Waldemar im folgenden Jahre gegen die
pommersche Stadt Wolgast eine Expidition unternimt, schließen die
Rüganer sich gehorsam den Dänen an. An diesem Zuge beteiligte
sich auch ein Verwandter des Löwen, Bernhard. Er benutzte die Gelegenheit,
den Rüganern einmal auf den Zahn zu fühlen, was sie denn von
Heinrich hielten. Gewiß mochte dieser in bezug auf Rügen schon
so seine Gedanken haben, jedenfalls war er schon damals nicht willens,
dies Land einmal den Dänen, seinen Bundesgenossen, allein zu überlassen,
schon wegen der rügenschen Flotte nicht, die er zu gut gebrauchen
konnte. Aber die Rüganer hielten es noch nicht für an der Zeit,
sich nach einem neuen Herrn umzusehen. Waldemar hatte ihnen seine Macht
zu handgreiflich vordemonstriert, und von dem Löwen hatten sie bisher
nur erst gehört. Indessen war doch durch diese Berhard Anregung der
Gedanke an eine mögliche Verbindung mit dem Sachsenherzog in manchen
Köpfen wach geworden. Wenn man dadurch von dem lästigen Verhältnis
zu den Dänen frei werden konnte, ließ sich die Sache schon hören;
denn Heinrich konnte jedenfalls seinen Einfluß auf Rügen nicht
in so empfindlicher Weise geltend machen, wie Waldemar, eben weil ihm die
Flotte fehlte. Eine solche Allianz ließ man sich schon gefallen.
Diese Politik fand bald Anhänger, und als Waldemar abermals gegen
Pommern zufelde zieht gemeinschaftlich mit Heinrich 1164, zeigten sich
ihre Wirkungen schon insofern, als das die rügensche Flotte nicht
freiwillig sich stellt. Absalon muß oft in der Volksversammlung der
Rüganer erscheinen, um sie an ihre Verpflichtungen zu erinnern. Wie
sehr man schon von der Hochachtung vor den Dänen abgekommen war, trat
hierbei offen zutage. Während der Verhandlung nämlich führte
ein Rane einem Dänen aus Absalons Gefolge ganz ungeniert sein Pferd
aus. Zwar bekam er´s wieder, auch wußte Absalon den rügenschen
König Tetzlaw zur abermaligen Gefolgschaft zu bestimmen, aber nur
mit der Aussicht auf Gewinn. Und wirklich wurde ein Teil des Wolgaster
Stadtgebietes dem König Tetzlaw zugesprochen. Aber der Löwe hatte
die Rüganer bei dieser Gelegenheit ganz in seine Tatzen bekommen.
Sie hatten ihn und seine Macht gesehen, er versprach ihnen seine Hilfe
gegen den Dänen und Befreiung von demselben. Als Preis dafür
sollten seinen jetzigen Vasallen, den Pommern, ihren Anteil an Wolgast
überlassen. Die Rüganer waren einverstanden. Aber das durfte
nicht so Knall und Fall geschehen. Waldemar sollte fürs erste nicht
gleich merken, wie die Sachen standen, denn Heinrich wollte sich jetzt
noch nicht mit ihm erzürnen. So erfanden dann die Rüganer, die
nach dem Kriege als Besatzung in Wolgast lagen, das spaßhafte Märchen,
sie könnten sich vor den Diebereien der Pommern gar nicht bergen.
Das Brot würde ihnen unter den Händen weggestohlen. Sie müßten
rein verhungern, wenn sie noch blieben. Nun, das konnte ihnen niemand zumuten,
mit sehenden Augen zu verhungern; Da hätte der Kuckuk in Wolgast bleiben
mögen, sie räumten das diebische Nest, sie, die schüchternen
Rüganer, die sich ja auch sonst ohne Murren die Butter vom Brot nehmen
ließen, sie, deren Heimat so weit ablag, daß eine Verproviantierung
von dort aus zu den Unmöglichkeiten gehörte! Daß diese
plötzliche Zimperlichkeit der Ranen ihren Hafen haben mußte,
hätte ja eine alte blinde Frau mit dem Krückstock fühlen
können. Auch in Dänemark merkte man die Absicht und - ward verstimmt.
Zudem zeigten sich die rügenschen Herrchen, die in Wolgast noch eben
so zimperlich getan hatten, Dänemark gegenüber plötzlich
viel weniger rücksichtsvoll und zurückhaltend: Sie fingen ganz
ungeniert an, die dänischen Küsten zu plündern, als ob sie
sagen wollten: Seht, so hat man uns in Wolgast getan. Leider war es zu
spät in der Jahreszeit, sonst hätte Waldemar sogleich entsprechend
geantwortet. So nun hatte er wenigstens den Winter über Zeit, nachzudenken
über des Löwen neue Beweise uneigennütziger Freundschaft!
Kaum aber war das Meer im Frühjahr 1165 eisfrei, da ging er daran,
den Rüganern die Suppe der Freundschaftsgefühle für drn
Sachsen gründlich zu versalzen. Und wie vorzüglich verstand er
das, besonders wenn Absalon den Koch spielte. Im Norden Rügen ging´s
an. Wittow wurde verwüstet bis in die Nähe Arkonas. Dann kam
der Süden an die Reihe. Den Zudar und die anliegende Landschaft raubte
Absalon aus, Dörfer und einzelne Häuser gingen in Flammen auf,
die Rüganer schlug er zurück. Soviel im Frühling. Im Herbst
kam man wieder zur Zeit der Ernte, um am Erntefest in Arkona teilnehnem
zu können. Aber hier wurde man übel empfangen. Auf tut sich das
Tor, die Leibwache des Swantewit stürzt heraus, und mit blutigen Köpfen
werden die Dänen aus Arkonas Weichbild heimgeleuchtet. Waldemar wagt
weder Sturm noch Belagerung. Vor diesen Burschen im Dienste des Swantewit
hatte man immer noch einen gewaltigen Respekt. Wie sein weiß Saxo
das zu erkennen zu geben, wenn er sagt: Waldemar hielt seine Leute in gehöriger
Entfernung vom Walle, damit nicht die Pferde erschossen würden. Freilich
gab es auch Helden unter den Dänen, homerische sogar. Sie reiten heran,
werfen den Spieß ab, der jedesmal tödlich trifft, und - konzentrieren
sich schleunigst rückwärts. Nein, vor Arkona blühten den
Dänen noch keine Lorbeeren. Man steigt wieder zu Schiff und versucht´s
anderswo, wo keine Gotteskämpfer sind. Auf Jasmund landet man, vielleicht
an der Stelle, wo heute Sassnitz liegt. Aber die Rüganer haben sich
in die Burgwälle am Herthasee und beim Werder geflüchtet. Eine
offenen Feldschlacht wagen sie nicht. So plündern und verbrennen die
Dänen die Gehöfte. Da kommen die Feinde hervor, überfallen
die Zerstreuten und ziehen sich, wenn die Dänen sich gesammmelt haben,
wieder hinter ihre Schanzen zurück. Bei solchem Geplänkel fällt
der rügensche Edler Dalemar, der Urahne der noch jetzt blühenden
Familie Dalmer. Aber Entscheidung bringt dieser Guerillakrieg nicht, nur
Verwüstung. Und dafür sorgt Absalon gründlich. Über
die schmale Haide bis hin zum Göhrenschen Hövt, das hier zum
ersten Mal genannt wird, überall gingen die Liegenschaften in Flammen
auf.
Was blieb da den Rüganern übrig als an Frieden zu denken.
Gründlich waren sie von Heinrich dem Löwen hinters Licht geführt,
keine Hand rührte er zu ihrem Schutze. Aber auch Waldemar war froh,
als sie jetzt mit Friedensvorschlägen kamen. Zwar hatte er die Insel
an ihren Küsten verwüstet, einen vernichtenden Schlag aber zu
führen, dazu fühlte er sich nicht stark genug. Außerdem
fürchtete er bei Fortsetzung der Feindseligkeiten die Vergeltung an
seinen eigenen Küsten, denn die rügensche Flotte war unbesiegt.
So ließ er sich denn mit Geld und Geißeln abfinden und man
sicherte sich gegenseitige Ruhe zu in dem Frieden bei Strela 1165, der
kleinen Insel zwischen Stralsund und Rügen, die der anliegenden Stadt
später den Namen gab und heute Dänholm heißt.
Auch in diesem Frieden kamen die Rüganer noch glimpflich weg.
Ihre politische Selbständigkeit bleibt unangefochten, ebenso wie ihre
religiöse. Wohl mochte Waldemar wie vor allem Absalon schon längst
eingesehen haben, daß der eigentliche Grund der fortwährend
feindlichen Haltung der Rüganer in ihrer religiösen Sonderstellung
lag, die sie allein von allen Slaven an der Ostsee immer noch einnahmen.
All die Versuche, Arkona beizukommen, bezeugen diese Erkenntnis zur Genüge.
Und von Absalon, der ja Bischof war, kann man gewiß annehmen, daß
er eine bekehrung Rügens als letztes Ziel von vorn herein im Auge
hatte. Aber zu diesem letzten entscheidenden Schritt glaubte Waldemar sich
vorerst noch nicht stark genug. Denn mit dem Swantewitkult hing die politische
Selbständigkeit auf´s engste zusammen; fiel das eine, so mußte
das andere mitfolgen. Ein solcher Kampf, der letzte, entscheidende um alles
das, was des rügensche Volkes eigenste Nationalität ausmachte,
mußte mit Verzweiflung und größter Anspannung aller Kräfte
von Seiten der Rüganer geführt werden, wie Waldemar sich sagen
mochte; vor einem derartigen Entscheidungskampf, bei dem unter Umständen
auch Dänemark die größte Gefahr lief, bangte dem vorsichtigen
König, denn Rügen galt trotz aller Unfälle noch immer für
eine höchst respektable Macht. So war Waldemar vorläufig zufrieden,
wieder einen annehmbarer modus vivendi mit den Rüganern gefunden zu
haben, zumal andere Aufgaben seiner harrten. Die Freundschaft mit Heinrich
dem Löwen, die nie auf recht festen Füßen gestanden hatte,
schien mit offener Feindschaft endigen zu wollen. Nur die Überzeugung
beider, daß keiner des andern ganz entraten könne, fesselte
sie neu. Beide Herren sagten sich bei einer Zusammenkunft an der Eider
1166 gegenseitige Unterstützung im Kampfe gegen die Slaven zu, dafür
sollte Beute und Tribut gleichmäßig geteilt werden.
Dann wandte sich Waldemar 1167, wie er schon lange gewollt, gegen Norwegen,
um neue Eroberungen zu machen. Aber das Unternehmen hatte keinen Erfolg;
ungünstige Nachrichten über den Verlauf der Fahrt verbreiteten
sich in Dänemark.
Auch die Rüganer hörten davon. Dies, sowie die lange Abwesenheit
des Königs waren willkommener Anlaß, ans fröhliche Ende
der letzten Räubereien den fröhlichen Anfang wieder anzuknüpfen.
Es war doch zu verlockend, jetzt, wo der König nicht da war, ja möglicherweise
seine ganze Flotte verloren haben mochte. Doch man hatte sich gründlich
verrechnet, Waldemar kam mit unversehrter Flotte zurück. Da schickte
man von Rügen schleunigst einen Unterhändler, um die mißliche
Sache gütlich beizulegen. Aber diesmal stellte der König so harte
Bedingungen, daß der Gesandte sie gar nicht überbringen mochte.
Waldemar war jetzt endlich zum letzten entschlossen. Das Unglück des
eigenen Landes sprach´s zu deutlich, daß nichts anderes übrig
blieb, als den Entscheidungskampf zu wagen, um diesem Schrecken ohne Ende
ein Ende zu machen. Und um so leichter verstand er sich dazu, als Heinrich
der Löwe Wort hielt und ihm seine Vasallen, die Pommern und Mecklenburger,
mit Flotte und Landheer zu Hilfe schickte.
So sind wir an den Eintritt jener gewaltigen Katastrophe gekommen,
die eine Umränderung der rügenschen Verhältnisse herbeiführte,
wie keine andere vorher noch nachher. Sie macht der politischen und religiösen
Selbständigkeit und Sonderstellung Rügens für immer ein
Ende. Und wie sie somit einerseits den Schlußakt der alten Geschichte
der Insel bildet, ist sie zu gleicher Zeit der Anfang einer neuen Epoche
für Rügen, das mit ihr in den Kreis und die Wirkung der abendländischen
Kultur eintritt.
Es war am Pfingsttage des Jahres 1168 als eine große Flotte der
Dänen, Mecklenburger und Pommern an der Küste Wittows landete.
Nicht bloß der König Waldemar, die pommerschen Herzöge
Bogislaw und Kasimir und der Mecklenburger Fürst Pribislaw befanden
sich bei dem Heere, auch der Bischof Berno von Schwerin und Absalon von
Roeskilde hatten sich eingestellt. Man wollte diesmal nicht bloß
erobern, sondern auch das Land zum Christentume bekehren. An der Wurzel
wollte man das rügensche Slaventum angreifen, darum rückte das
Heer sogleich vor Arkona, denn Absalon meinte mit Recht, daß nach
dem Fall dieses religiösen Mittelpunktes das übrige Rügen
sich um so leichter unterwerfen werde. Auch die Rüganer waren auf
einen Entscheidungskampf gefaßt. Arkona war angefüllt mit Flüchtlingen
aus dem offenen Lande, für eine ausreichende Besatzung war gesorgt,
das einzige Tor, das in den Ort führte, war von außen mit Erde
verschüttet und diese mit Rasenstücke belegt, und auf dem nebenstehenden
Turm wehte die heilige Kriegsfahne, die Stanitza, das Zeichen für
den bevorstehenden Entscheidungskampf.
Aber mit Sturm ließ sich die hochumwallte Festung vorerst nicht
einnehmen, deshalb ging man an eine regelrechte Belagerung. In den Waldungen
um Arkona wurde Holz gefällt und Belagerungsmaschinen konstruiert,
wie man sie in damaliger Zeit verwandte. Um eventuellen Entsatz der Festung
der Festung von der Landseite her unmöglich zu machen, wurden Schanzen
angelegt an der Stelle, wo die Halbinsel Wittow durch die schmale Schaabe
mit Rügen zusammenhängt. So hatte ja auch schon im Jahre 1136
König Erich getan.
Trotz all dieser notwendigen Zurüstungen hoffte der König
Waldemar doch auf eine anderweitige und erfolgreichere Hilfe für die
Einnahme des Swantewitsitzes. Er kannte die oben geschilderte Sage vom
Sankt Vit und äußerte zu seiner Umgebung: er sei überzeugt,
daß Sankt Vit ein Wunder tun und an seinem Ehrentage (dem 14. Juni)
seine langjährige Verhöhnung rächen und die Festung den
Belagerern in die Hände spielen werde. Und über alles Erwarten
vollständig sollte diese scharfsinnige Vermutung zutreffen.
Bereits in die vierte Woche lagen die Verbündeten vor den Wällen
Arkonas, schrecklich plagte sie die Hitze und Dürre, die in diesem
Jahre außerordentlich stark war; noch nicht war die geringste Bresche
gelegt, kein Erfolg war bis jetzt abzusehen. Da trat plötzlich ein
Ereignis ein, das mit einem Schlage die Katastrophe herbeiführte.
Sankt Vits Tag, der 14. Juni, war gekommen. Glühend brannte die
Sonne hernieder. Der König hielt im Schatten seines Zeltes behaglich
Mittagsruhe und mochte vom Sankt Vit träumen. Die Posten vor dem Lager
suchten unter ihren Schilden Schutz vor den sengenden Sonnenstrahlen, und
die Schildwachen oben auf den Schanzen Arkonas lehnten sich an die Brustwehr,
mit Mühe den Schlaf bekämpfend. Alles atmete Ruhe, überall
Abgespanntheit.
Das war so der Zeitpunkt für die Trotzbuben, ihren Schelmenstückenungestört
nachgehen zu können. Mit Steinen bombardierten sie die rügenschen
Wachposten, und lauter Jubel erscholl, wenn einem nickenden Kopf dort oben
ein Stein flirrend an den Helm flog. Nicht kümmerte man sich von dänischer
Seite um diese Spielerei, und kaum sahen die rügenschen Wachen auf
dieses kindische Gebahren.
Da bemerkt einer der Buben in der Erdmasse vor dem Tore neben dem hölzernen
Turm einen tiefen Spalt, der infolge der anhaltenden Dürre entstanden
war. Rasch entschlossen eilt er durch den trockenen Graben hindirch und
klimmt in die Höhlung hinein. Die Schläfrigkeit und Sorglosigkeit
der rügenschen Wachen ermöglicht dies. Jetzt holt er Stein und
Zunder hervor. Das Holz des Turmes ist ausgedorrt, leicht fängt es
Feuer. Eben fährt ein Wagen mit Stroh ins Lager. Man wirft ihm ein
Bund nach dem andern zu, er stopft es in den Spalt hinein, bald flackert
die Flamme hoch auf und ringelt sich an dem Turme empor. Dann gleitet der
kühne Bursche unversehrt hinab, Jubel empfängt ihn.
Jetzt kommt Leben in die schläfrigen Massen. Noch ahnt man in
Arkona nicht, was vorgegangen. Da verrät der aufsteigende Rauch den
schrecklichen Feind. "Feuer" schallt es, Schreckend erregend, durch die
Burg. Nach Wasser stürzt alles, aber bald ist der einzige Brunnen
in der Stadt erschöpft, höher schlägt die Flamme, in Glut
steht schon der ganze Turm. In der Verzweiflung schüttet man Milch
in die Flammen, aber sie nährt die Glut. "Wasser, Wasser" schreit
alles entsetzt, und da unten, tief unten rauscht das endlose Meer, unerreichbar
den Verzweifelnden. Unerträglich wird die Glut, die Palissaden brennen,
schon fangen die Häuser Feuer. Entsetzen überall, den schrecklichen
Tod durchs Feuer sehen alle vor Augen, ohne sich wehren zu können.
Da plötzlich, Horch! was übertönt das Gejammer und Geheul
der Verzweiflung in der Stadt? Es stockt das Herz selbst des Stärksten.
Trompetengeschmetter, Sturmsignale, Kriegsgeschrei dringt an das Ohr. In
dichten Massen wälzen sich die Sturmkolonnen der Feinde heran, der
letzte, gräßliche Vernichtungskampf beginnt. Was hatten die
Arkoner noch zu verlieren? Tod überall! Ein rasender Fanatismus überkommt
sie, Heldenkühn erwarten sie den Feind. Wildes Morden beginnt auf
den Wällen. Gräßlich leuchtet die Todesfackel dem Würgengel.
Die Dänen müssen zurück. Aber schon treten andere Scharen
für die Geschlagenen ein, zum zweiten Sturme rücken sie an. Da
stürzt der glühende Turm in sich zusammen, die heilige
Stanitza verzehrt die Flamme, ist Swantewits Macht zuende? Verzweifelnd
stürzt mancher der heiligen Fahne sich nach in die glühenden
Trümmer des Turmes, er will das Ende seines Gottes nicht überleben;
andere kämpfen mit doppelter Todesverachtung, umwallt von Rauch und
Feuersglut, gegen die siegesgewissen Feinde.
Doch unbemeistert fressen die Flammen weiter, einen glühenden
Krater gleicht Arkona. Aller Heldenmut ist vergebens, das Schicksal der
Festung ist besiegelt. Soll nicht alles Lebende in der Stadt dem Feuertode
geweiht sein, so kann nur schleunige Kapitulation vor gänzlichem Untergange
retten. Das erkennt man in Arkona und handelt danach. Mitten durch das
wilde Kampfgetöse hindurch ruft man mit lauter Stimme nach Absalon.
Er ist sogleich zur Stelle, bescheidet den Sprecher nach einer ruhigeren
Stelle des Walles, wo der Kampf nicht so arg tobt und fragt nach dem Begehr.
Um Einstellung des Sturmes bittet der Rüganer, man sei bereit, sich
zu ergeben, auf alle Bedingungen hin. Daraufhin sagt Absalon den Abbruch
des Kampfes zu, nur verbietet er inzwischen den Versuch, das Feuer zu löschen.
Dann eilt er zum König und gewinnt ihn leicht für seine Ansicht.
Sogleich wird das Heer vom Kampf zurückgerufen, die Anführer
und Fürsten versammeln sich zum Kriegsrat; auch hier weiß Absalon
die Annahme der Kapitulation durchzusetzen. Ohne Widerrede ergibt sich
das halb ausgebrannte Arkona auf die in religiöser und politischer
Hinsicht gestelten Bedingungen:
1) Swantewit wird ausgeliefert mit all seinen Schätzen,
2) das Christentum nach dänischen Ritus wird
angenommen,
3) Rügen verpflichtet sich dem dänischen
König zur Kriegs - Gefolgschaft,
4) ein jährlicher Tribut ist an Dänemark
zu zahlen.
Zur Ratifikation der Übergabe nimmt Absalon sogleich Geißeln
in Empfang. Ihm kam es darauf an, möglichst schnell die ganze Sache
perfekt zu haben, weil er den Ein- und Widerspruch der verbündeten
Pommern und Mecklenburger fürchtet, denn die Bedingungen der Kapitulation
lauteten, wie man sieht, nur in dänischem Interesse. Jedenfalls aber
erwarteten die Verbündeten einen Anteil an der Eroberung. Das wollte
Absalon auf jeden Fall verhüten, er wollte die Frucht so langjähriger
Kämpfe und Anstrengungen von dänischer Seite jetzt auch für
Dänemark allein einheimsen. Was er besorgt, tritt ein. Die Pommernfürsten,
beim Kriegsrat überstimmt, protestieren gegen diese Kapitulationsbedingungen.
SIe fordern den Wiederbeginn des Kampfes. So hoffen sie, ihren Anteil an
der Beute sich selbst zu holen. Andernfalls drohen sie, den König
zu verlassen. Ein neuer Kriegsrat muß berufen werden. Hier weiß
der schlaue Däne sie zum Schweigen zu bringen: man sei ja nicht gekommen,
die Arkoner totzuschlagen, sondern sie zu bekehren. Das Beispiel der Milde
werde das übrige Rügen um so leichter zur Unterwerfung veranlassen.
Die Fürsten lassen sich begütigen, vielleicht hofften sie bei
den anderen rügenschen Städten besser abzukommen.
Absalon aber ist durch diesen Vorfall gewitzt. Er fürchtet eine
zweite verstärkte Auflage desselben und trifft dementsprechend seine
Vorkehrungen um Dänemark den ungeteilten Besitz der Insel im voraus
zu sichern.Noch war die politische Hauptstadt Rügens, Karenza, unerobert
und die rügensche Land- und Seemacht unbesiegt. Auf diplomatischem
Wege bringt Absalon alles dies in dänische Gewalt, ehe selbst der
König, geschweige denn die pommerschen und mecklenburgischen Fürsten
eine Ahnung davon haben.
Mit den Häuptern der Besatzung setzt er sich heimlich in Verbindung.
Sie sollen jemand aus ihrer Mitte auswählen, der nach Karenza eilen,
dort die ganze Situation schildern und den rügenschen König und
Adel zur Annahme der gleichen Bedingungen, wie Arkona sie hat, bereden
soll. 24 Stunden Bedenkzeit bewilligt er dort. Bald ist man in Arkona sich
einig, daß dies die einzige Möglichkeit ist, Schlimmeres von
Rügen abzuwenden. Ein rügenscher Edler, Granza, ist zum Übermittler
ausersehen. Damit kein Unberufener von diesen geheimen Manipulationen etwas
erfahren und sie gar durchkreuzen möchte, kommt er verabredetermaßen
in der Nacht zu Absalon, der bis jetzt gewartet hat. Sogleich weckt der
Bischof den König, setzt ihm seinen diplomatischen Schachzug auseinander
und erhält Vollmacht. Absalon erklärt dem Granza, daß am
16. früh am nahen Strande bei Karenza der rügensche König
und Adel ihn erwarten solle. Granza reitet nach Karenza ab, der schlaue
Absalon hat Rügen für Dänemark gerettet.
Am folgenden Morgen, dem 15., rücken die Sieger in Arkona ein,
Swantewits Sterbestunde hat geschlagen. Die Tempelwände werden eingehauen.
Da meinten die Dänen einen Dämon in Gestalt eines scheußlichen
Tieres aus dem Innern auffahren zu sehen, als jetzt Swantewits Bildnis
den erstaunten Blicken sich zeigt. Krachend fällt der Götze unter
den Axthieben zu Boden, Stricke werden ihm umgelegt, die Arkoner sollen
ihn aus der Stadt herausschleifen. Aber das weigern sie sich. Noch fürchten
sie des einst so gewaltigen Gottes Rache, so müssen die Dänen
selbst es tun. Im Lager aber betrachten sich Fürsten und Soldaten
das sonderbare Idol, dann wird es in Stücke zerschlagen und zum Hohn
unter den Kochkesseln verbrannt.
So endete Swantewit. Und wo war währenddeß sein Vertrauter,
der Hohepriester? Saxo, der Augenzeuge dieser Vorgänge, erwähnt
seiner mit keinem Worte. Hatte auch er sich in die Flammen gestürzt,
als er den Untergang seines Herrn vor Augen sah, oder war bei ihm die Lust
zum Leben größer als die Überzeugung? Wir wissen es nicht.
Ruhmlos verschwindet der einzige alte Rane mit dem langen Bart- und Haupthaar
aus der Geschichte. Auf der Stelle aber des Swantewittempels wurde sogleich
eine provisorische Kirche aus dem Holze der Belagerungswerkzeuge erbaut,
und sofort den Arkonern die erste Unterweisung im Christentume erteilt.
Jetzt erst gegen Abend des 15. hielt Absalon es für an der Zeit,
auch den verbündeten Herzögen von seiner diplomatischen Tätigkeit
Mitteilung zu machen. Er kalkulierte, das Granza nunmehr bereits seinen
Auftrag vorgebracht habe; und daß man die Bedingungen in Karenza
angenommen habe nach Arkonas Fall, daran zweifelte Absalon keinen Augenblick.
So war denn seiner Berechnung nach die Unterwerfung Rügens unter Dänemark
jetzt vollendete Tatsache, und einem Widerspruch der Pommern von vornherein
die Spitze abgebrochen. Das merkten diese denn auch, und ihre Laune war
nicht die rosigste, als sie sich auch hier um den Lohn ihrer Teilnahme
gebracht sahen. Den Ausbruch offener Feindschaft muß Absalon besorgen,
vielleicht könnten die Pommern sich mit den Rüganern verbinden
und ihn um den Preis all seiner Mühen bringen. Dem muß er vorbeugen,
vor allem die Bundesgenossen nicht mit den Rüganern in Verkehr kommen
lassen, ehe die Unterwerfung durch irgend ein Unterpfand sanktioniert ist.
So geht er denn noch in der Stille der Nacht mit 30 Schiffen heimlich unter
Segel nach Karenza zu, der König soll mit der Flotte gegen Tagesanbruch
nachfolgen. Kühn war dieser Schritt, mit so wenig Mannschaft sich
gerade in die Mitte des immerhin noch unbesiegten Feindes zu begeben. Aber
Furcht kannte Absalon nicht, und zudem stand ihm zu viel auf dem Spiel.
Er mußte es wagen. Auch kannte er die rügenschen Verhältnisse
zu genau, als das er nach dem Fall des Nationalgottes noch ernstlichen
Widerstand besorgt hätte. So fuhr er denn um die Westküste Rügens
herum und traf am Vormittag des 18. Juni an dem verabredeten Punkte wirklich
den rügenschen König Tetzlaw nebst Adel, seiner schon harrend.
Wo diese denkwürdige Stelle liegt, auf welcher das Geschick Rügens
für lange Zeit entschieden werden sollte, ist nicht bestimmt zu sagen.
Wahrscheinlich aber in der Glewitzer resp. Buser Wiek bei dem Orte Puddemin
im Norden des Zudar. Die Spuren eines einst von Garz nach hier führenden
Kanals sind noch 1725 nachgewiesen; hier bei Puddemin war vielleicht der
Haupthafen der rügenschen Flotte, die vermittelst des Kanals mit der
politischen Hauptstadt Rügens in Verbindung treten konnte. Zudem ist
von hier der nächste Weg vom Strande nach dem alten Karenza, und die
Glewitzer Wiek bietet einen außerordentlich geschützten und
günstigen Hafenplatz. Absalon kannte diesen Ort daher und konnte ihn
als Rendevousplatz bestimmt bezeichnen. |